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Lignit – ein möglicher Weg zur Energieautarkie Griechenlands mit ökologischer Wirkung

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2017-03-26 2017-03-26 26.03.2017

Lignit ist Griechenlands größte und fast unerschöpfliche, eigene energiefähige Rohstoffressource, bereitet jedoch mit der derzeit angewandten konventionellen Verbrennungstechnologie in Großkraftwerken wie Ptolemaida oder Megalopolis enorme Probleme für die Gesundheit der Bevölkerung und die Umwelt aufgrund der hohen und gefährlichen Schadstoffemissionen. Gerade wegen der immensen landeseigenen Lignit-Reserven und der bereits verfügbaren technisch erprobten modernen sog. Konvertierungstechnologien wäre Griechenland im Rahmen der vollzogenen Liberalisierung des Energiemarktes imstande, seine zukünftige Energieversorgung unabhängig von externen Erdgaslieferungen zu gestalten und somit nachhaltig mit stabilen Preisen zu sichern und auf diese Weise durch Etablierung einer „Synthesegas-Industrie“ auch umfassend neue Arbeitsplätze zu schaffen und ein wirtschaftliches Wachstum des industriearmen Landes für die Zukunft zu gewährleisten.

Wenn man von Lignit im Zusammenhang mit Griechenlands Energieproduktion spricht, werden zwangsläufig äußerst negative Effekte damit verbunden, nämlich die umwelt- und gesundheitsschädigende Verbrennung dieses braunkohleähnlichen Rohstoffes zur Stromerzeugung in Kohlekraftwerken mit schlechtem Wirkungsgrad.
Zweifellos zählt Lignit zu den wichtigsten eigenen fossilen Energieressourcen Griechenlands neben möglichen, jedoch politisch prekären Erdölreserven in der Ägäis. Trotz des relativ niedrigen Heizwertes scheint Lignit aufgrund der immens vorhandenen Reserven von 6,8 Billionen Tonnen nahezu unerschöpflich, selbst wenn davon nur ca. 60% abbaubar sind. Bezieht man dieses wirklich verfügbare Energiepotenzial von mehr als 10 Milliarden GWh auf den stetig wachsenden Pro-Kopf-Verbrauch und das prognostizierte Wachstum der Haushalte und Industrie, so wären diese Reserven theoretisch noch für mindestens 40.000 Jahre nutzbar. Diese Verhältnisse sind angesichts der gegenwärtigen Kurzlebigkeit und Unsicherheit der auf Erdöl und Erdgas bezogenen Prognosen unvorstellbar, ermutigen jedoch über sinnvolle Lösungen angesichts denkbarer zukünftiger Energiekrisen nachzudenken.

Gegenwärtig wird der Energieverbrauch Griechenlands mit 33% aus der Lignit-Verbrennung über 21 Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 4900 MW gedeckt. Noch bis 1997 betrug der Anteil über 80% an der Stromerzeugung und wurde mit der landesweiten Einführung von russischem Erdgas reduziert, um die Energieversorgung zu diversifizieren und zu modernisieren. Dennoch hat diese Maßnahme mit Projektkosten von 2 Billionen Euro, die zu 40% aus EU-Mitteln finanziert wurden, eine neue bedenkliche Situation geschaffen, nämlich die Abhängigkeit bezüglich der Preisentwicklung und Lieferung durch den Hauptlieferanten Russland. Natürlich gibt es einen sehr positiven ökologischen Effekt bei der energetischen Verwertung von Erdgas, das – falls es schwefelarm ist – sehr sauber verbrannt werden kann und somit die Umwelt von Schadstoffen entlastet. Dennoch ist dieser Effekt in Griechenland kaum spürbar, da der Beitrag zur Luftverschmutzung durch Lignit-Verbrennung bei weitem übertroffen wird. Griechenland zählt in Europa noch zur Spitze der Luftverschmutzer durch konventionelle Kohlekraftwerke, sowohl bezüglich der Belastungen durch Schwefeldioxid, Stickoxid sowie karzinogene Dioxine und Furane als auch der gewaltigen Kohlendioxidfracht mit ihrem bekannten Treibhauseffekt. Längst haben sich die ökologischen Folgen in der Flora und Fauna der großen Kraftwerksregionen Ptolemaida, Megalopolis, Kardia, Agios Dimitris usw. zu einer Umweltkatastrophe entwickelt und auch in der Bevölkerung zu irreversiblen Gesundheitsschäden durch erhöhte Krebsraten und Sterblichkeit geführt. Viel zu lange wurde diese katastrophale Situation aufgrund der Tatsache, dass diese Energieerzeugung über 50 Jahre in staatlicher Hand war, totgeschwiegen. Erst durch die jüngst im Rahmen der EU-Entwicklung realisierte Liberalisierung und Deregulierung des griechischen Energiemarktes gelang es, das starke Monopol der sog. „Public Power Corporation“ (PPC) zu brechen und die Phase der Privatisierung des Energiemarktes einzuleiten. Mit den über EU-Richtlinien zur erforderlichen Abgasqualität festgelegten Emissionsgrenzwerten werden neue Maßstäbe auch für Griechenland gültig und ein neues Zeitalter eingeläutet, was erhebliche Anstrengungen für das Land erfordert, jedoch auch einen Segen verheißt, welcher diesem schönen, ursprünglichen Land und seinen Bewohnern gebührt.

Diese wesentliche Voraussetzung der Liberalisierung schafft dem Land die Möglichkeit, Energie in vielfältiger Weise auch durch private Investoren bereitzustellen, neue Arbeitsplätze durch Energieproduktion und einen selbstregulierenden Wettbewerb zu schaffen. Der Energiebedarf Griechenlands ist mit einem jährlichen Zuwachs von 5-10% immens und fordert neue effiziente technologische Lösungen, welche aber auch der ökologischen Entwicklung des Landes gerecht werden müssen. Das heißt im Klartext, dass jegliche Art von Verbrennung fossiler Rohstoffe wie Lignit unbedingt durch umweltfreundliche und wirtschaftlichere Technologien zu ersetzen sind. Diese Forderung schließt natürlich auch die energetische Verwertung von Abfallstoffen (siehe Beitrag „Energie aus Abfallstoffen – Umweltfreundliche Technologie für ein modernes Griechenland“ NEAFON 6.Jahrgang - 03/2006) und Biomassen ein, was äußerst wünschenswert ist, zumal damit auch die immer noch problematische Abfallbeseitigung umweltgerecht und auch ökonomisch gestaltet werden kann.

Die Entwicklung der Öl- und Gaspreise innerhalb der letzten Jahre lässt auch in Griechenland unsichere Zeiten erwarten.
Erneuerbare Energien aus Photovoltaikanlagen, Windkraft und Geothermie haben sicher eine ausgezeichnete, ökologische und geologische Berechtigung für Griechenland, spielen jedoch derzeit mit einem Anteil von unter 3% energiepolitisch keine entscheidende Rolle und lassen sich auch kurzfristig nicht ohne weiteres wegen des erforderlichen Flächenbedarfs und der noch unzureichenden Wirtschaftlichkeit in bedeutendem Umfang realisieren.

Es ist höchste Zeit, die mittlerweile einseitige Abhängigkeit vom Erdöl und Erdgas von derzeit etwa 70% für die Energieerzeugung Griechenlands umzugestalten und diese Einfuhr-Rohstoffe durch eigene Energieressourcen, nämlich durch Gas- und auch Ölerzeugung aus dem unerschöpflichen Lignitpotenzial zu ersetzen, und zwar unter Verwendung bereits verfügbarer neuer Technologien zur effizienten Vergasung zu Erdgas. Dieser Weg kann Griechenland autark machen und die wirtschaftliche Entwicklung nachhaltig prägen, also Arbeitsplätze schaffen und eine eigene Rohstoffveredelungsindustrie für die Herstellung von Synthesegas für direkte Anwendungen oder auch zur Stromerzeugung sowie zur Verarbeitung zu Synthesekraftstoffen auf der Basis von Lignit hervorrufen.

Ein Ölpreisanstieg von 10 Dollar pro Barrel bedeutet für Griechenland eine Erhöhung der Inflationsrate von etwa 0,4%, bei sinkendem Einkommen und Verbrauch und damit verbundener abnehmender Beschäftigung. Zwar liegen die derzeitigen Spritpreise Griechenlands noch um ca. 20% unter dem EU-Level, sie haben sich aber seit 2004 durch eine Ölpreissteigerung von 135% um fast 40% erhöht. Die Relationen bei der Gaspreisentwicklung laufen bekanntlich parallel.
Wenn es diese idealen Bedingungen des freien Energiemarktes gibt, die eigenen Ressourcen unerschöpflich sind und die besten ökologisch verträglichen Technologien zur eigenen Erdgasproduktion aus Lignit verfügbar sind, so besteht doch jetzt die große Chance, Griechenland aus der Energieabhängigkeit durch russische Erdgasimporte zu führen.

Welche positiven Auswirkungen ein langfristiges ausgereiftes Konzept auf der Basis Lignit herrufen kann, zeigt folgende Abschätzung. Laut Planungsunterlagen soll die Erdgaspipeline „Nabucco“ 4,6 Mrd. Euro kosten und jährlich 25 Mrd. Kubikmeter Gas nach Europa liefern. Diese Gasmenge kostet z.B. ab 2007 bei Gazprom jährlich 5 Mrd. Euro. Würden dagegen in Griechenland, Bulgarien und Rumänien 59 moderne sog. Kohle-Konvertierungsanlagen mit einer Leistung von je 150 t pro Stunde zur Synthesegas-Erzeugung eingesetzt, würden die Investitionskosten von rund 24 Mrd. Euro bei den aktuellen Kohlepreisen bereits in 8 Jahren wieder erwirtschaftet sein, und es könnte für die Restlaufzeit von 12 Jahren mit einem Rohgewinn von 36 Mrd. Euro gerechnet werden.

Mag die langfristige Belieferung mit russischem Erdgas wohl gesichert erscheinen, so wird auch die 50% Beteiligung eines griechischen Großunternehmers wenig für eine sichere stabile Gaspreisentwicklung bewirken und sich gewohnheitsgemäß an den steigenden Weltpreisen orientieren. Es besteht auch keinerlei Liberalisierungstendenz seitens des selbstbewussten Erdgas-Monopolisten Gazprom, somit auch keine Aussicht auf sinkende Gaspreise durch gesunden Wettbewerb.

Nachdem es bereits eine fast 30-jährige Entwicklung auf dem Gebiet der modernen Kohlevergasung, hervorgerufen durch weltweite Energiekrisen, gibt, haben sich gerade in jüngster Vergangenheit nur wenige Verfahren eine gewisse Marktposition erobern können. Entscheidend für den technischen Einsatz eines derartigen Kohlevergasungsverfahrens ist neben der ökologischen Eignung eine optimale ökonomische Bilanz. Dieses Ergebnis kann mit dem heutigen Wissensstand nur erzielt werden, wenn aus dem in der Regel hoch belasteten Rohstoff Lignit ein sauberes erdgas-kompatibles Synthesegas produziert wird, das in ausgereiften kombinierten Gas-/Dampfturbinensystemen verstromt werden kann. Technisch wird dieses Ziel nur durch optimierte mehrstufige katalytische Vergasung mit Reformierung bzw. Methanisierung des Rohgases und mehrstufiger Gasreinigung erreicht, kurz genannt Mittel-Temperatur-Konvertierung.

Nur diese sog. Mittel-Temperatur-Konvertierung (genannt MTC) ermöglicht es, den üblen Rohstoff Lignit mit seinem hohen Wassergehalt direkt zu vergasen und auf dem Wege der sog. Reformierung über die Nutzung des Wassergehaltes eine Anreicherung an Kohlenwasserstoffen zu erzielen und das gewonnene synthetische Erdgas mit einem elektrischen Wirkungsgrad von derzeit bis 52-58% zu verstromen und hierbei die Umwelt durch eine saubere Verbrennung des gereinigten Synthese-Erdgases zu entlasten. Die Verbrennungsprodukte aus der Gasturbinen-Brennkammer bestehen hauptsächlich aus Wasserdampf und bilanzneutralem Kohlendioxid aus dem Methananteil.

Ein derartiges Lignit-Konvertierungskraftwerk kann aus 1 Tonne Lignit etwa 250 m³ synthetisches Erdgas, bzw. hieraus 2,7 MWh elektrischen Strom erzeugen und emittiert im Gegensatz zu einem herkömmlichen Verbrennungskraftwerk nur etwa 25% des Kohlendioxidausstoßes. Es wirkt somit erheblich positiv auf die global erforderliche Treibhausgasreduzierung nach dem Kyoto-Protokoll.

Aufgrund des hohen elektrischen Wirkungsgrades von MTC-Anlagen im Vergleich zu Verbrennungskraftwerken mit nur max. 35% ausschließlich über Dampfturbinen, amortisieren sich derartige Systeme bei etwa 30-40% niedrigerer Investition schon innerhalb von ca. 8 Jahren. Jegliche Schadstoffe werden aus der Rohgasphase vor der Verbrennung wirksam konzentriert ausgeschleust und entsprechend weiterverwertet oder deponiert, ohne die Umwelt und die Gesundheit der Bevölkerung zu belasten. Eine hohe thermische Abwärmebelastung (Energieverluste) wie bei konventionellen Kohleverbrennungskraftwerken ist weitgehend reduziert, der ohnehin geringe thermische Energiegewinn von ca.35% der Gesamtenergie wird abgesehen von minimalen unvermeidbaren Verlusten weitgehend für den eigenen Prozess wiederverwendet (autothermer Betrieb).

Falls das synthetische Erdgas nicht zur Stromerzeugung verwendet wird, steht es auch für eine Einspeisung in das vorhandene griechische Erdgasnetz (Betreiber DEPA) zur Verfügung, wo es für vielfältige Anwendungen in Haushalten und Industrie bereit steht. Gegenüber der Fernversorgung mit russischem Erdgas bietet diese Technologie auch den Vorteil intensiver Gasaufbereitung zu einem schadstofffreien Energieträger bereits bei der Herstellung.

Griechenland hat also die über 50-jährige Monopolphase der staatlichen Energieerzeugung durch die Liberalisierung des Energiemarktes hinter sich gebracht und muss jetzt aufgrund der entstandenen Folgelasten für die Gesundheit der Bevölkerung und der sensiblen Umwelt wirksame Entscheidungen treffen. Die in den 90er Jahren getroffene Entscheidung für Erdgasimporte muss angesichts der jüngsten Öl-und Gaspreisentwicklungen unter dem Aspekt der Energiepreis-Stabilität neu gewertet werden. Die gewaltigen Lignit-Vorräte und die erst jetzt mögliche Nutzung modernster hoch effizienter Technologien zur ökologischen Energieerzeugung zwingt Griechenland zur Änderung der Strategie, wenn es sich nicht in eine ungewisse Zukunft begeben will. Auch der Effekt der Schaffung neuer Arbeitsplätze im Energiesektor kann dem industrieschwachen Land mit seiner wertvollen Ressource Wachstum sichern. Es besteht eine begründete Aussicht auf Energieautarkie, wenn jetzt die Weichen hierfür gestellt werden.

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